Wie finden blinde Menschen ihren Weg?
Um ihren Weg zu finden, nutzen blinde Menschen ihren Tastsinn und ihr Gehör – und sie konzentrieren sich auf das, was sie wissen.
Ein blinder Mann erzählt, wie er jeden Morgen an seinen Arbeitsplatz in eine andere Stadt fährt:
„Als erstes laufe ich zur Straßenbahnhaltestelle. Dabei benutze ich meinen Blindenstock, um den Boden vor mir abzutasten. Wenn ein Hindernis auf dem Gehweg ist, dann kann ich es spüren und ihm ausweichen. Auf dem Weg überquere ich die Straße an einer Blindenampel. Sie gibt Geräusche ab, so dass ich nicht nur weiß, wo die Ampel steht, sondern auch, wann es grün wird.
Oft fragen mich Menschen an der Haltestelle, woher ich weiß, in welche Bahn ich einsteigen muss. Das ist leicht für mich, denn die drei Linien, die dort halten verwenden verschiedene Wagentypen, die beim Fahren ganz unterschiedlich klingen. Die sehenden Menschen bemerken die unterschiedlichen Geräusche nicht, weil sie nicht wirklich darauf achten.
Am Bahnhof steige ich wieder aus und gehe zum Bahnsteig. Wenn der Zug einmal an einem anderen Bahnsteig hält als sonst, muss das nicht schlimm sein. Ich kenne ja die Reihenfolge der Bahnsteige. Wenn die Änderung über Lautsprecher angesagt wird, laufe ich einfach durch den Gang, der zu den Bahnsteigen führt und zähle die Aufgänge ab. Die brauche ich nicht abzutasten. Ich spüre den Luftzug, der vom Bahnsteig herunter kommt.
Normalerweise steige ich immer in den gleichen Wagen des Zuges ein. Dann weiß ich nach der Ankunft, wo die Treppe ist und auf welcher Seite vom Gang ich herunter komme. Einmal nach links abbiegen, schon bin ich auf dem Weg zur U-Bahn. An der U-Bahnhaltestelle funktioniert mein Trick mit dem Fahrgeräusch der Wagen nicht. Die U-Bahnwagen klingen alle gleich. Aber das schadet nicht, denn ich kann zum Glück mit jeder U-Bahn fahren, die am Bahnhof hält. Drei Haltestellen und ich bin schon fast im Büro.
Den kurzen Weg kenne ich auswendig. Oft geht auch jemand das letzte Stück mit mir, der den gleichen Weg hat. Dann lasse ich mich von ihm führen und wir unterhalten uns ein wenig. Das ist nett, aber wirklich nötig ist es nicht. Ich finde den Weg auch gut allein. Das ist wichtig, denn ich möchte selbstständig sein und auch dann meinen Weg finden, wenn mal niemand da ist, der mir helfen kann.“