Kalenderblatt OKTOBER inklusiv 24.10.2021 / Tag der Bibliotheken
Wir entscheiden selbst, was wir lesen
Spezialisierte Bibliotheken stärken selbstbestimmte Teilhabe
In dieser Bibliothek wird vorgelesen und beschrieben: vom Titelbild, über den Klappentext bis zum Autorennamen, der bei Bedarf buchstabiert wird. In der Westdeutschen Bibliothek für Hörmedien für blinde und sehbehinderte Menschen (wbh) werden Bücher zum Hören produziert. Es wird eingelesen, was neu auf dem Büchermarkt ist und den 8.000 registrierten Hörerinnen und Hörern gefällt: Belletristik, gerne Krimis, historische Romane, Reiseliteratur oder Sachbücher. 50.000 Titel sind es zurzeit. Sie stehen grundsätzlich allen blinden und sehbehinderten Menschen zur Verfügung - und seit Kurzem auch Menschen, die aufgrund einer Behinderung beim Lesen eingeschränkt sind, wie zum Beispiel Schlaganfallpatienten. Viele dieser möglichen Nutzerinnen und Nutzer wissen davon allerdings nicht. Dabei brauchen sie nicht immer gleich ein ärztliches Attest. Ein formloser Nachweis genügt und man kann Hörbücher aus dem Katalog nach Titel oder nach der bevorzugten Lesestimme auswählen.
Nur 50 Prozent der Kosten dieser produzierenden Hörbücherei sind durch Landesförderung gesichert. Die wbh arbeitet daher zu großen Teilen auf Spendenbasis. Und sie profitiert vom Engagement der Selbsthilfe z.B. durch den BSV in Westfalen. Seit der Gründung im Jahr 1955 haben lesebegeisterte Menschen dieses Vereins darauf bestanden, dass sie autonom und ohne Assistenz durch Dritte den Zugang zu Literatur haben.
Anfangs wurde auf Tonbänder aufgesprochen. Eine Hörversion der „Deutschstunde" von Siegfried Lenz konnte da schon mal einen ganzen Kofferraum füllen. Heute ist dank digitaler Technik der Zugang zur Literatur einfacher. Nur noch wenige lassen sich CDs schicken (Rücksendung ist grundsätzlich kostenfrei). Die jüngere Generation liest und hört selbstverständlich digital. Das Daisy Format ist hier der Goldstandard - eine technische Entwicklung, die von den Blinden-Selbstorganisationen mit voran getrieben wurde. Die speziellen Daisy-Abspielgeräte erst machen den Unterschied zu den allgemein zugänglichen Hörbüchern: Hier kann man z.B. im Reiseführer akustisch im Buch blättern, kann satz- oder kapitelweise vor- und zurückspringen, kann kommentieren oder Lesezeichen setzen an Stellen, die man später wieder aufrufen will. Die Abspielgeräte werden in der Regel von den Krankenkassen finanziert. Seit einigen Jahren gibt es außerdem die spezielle whb-App mit integriertem Daisy Player, die man sich herunterlädt.
Die wbh produziert außerdem fünf Zeitschriften in großen Auszügen. Und damit die Nachrichten aktuell auf APP und Player erscheinen, wird frühmorgens schon eingelesen.
Eine Bibliothek für alle Fälle – die wbh versteht sich als Serviceanbieter und ist immer ansprechbar für alle Anliegen zu neuen Büchern, technischen Fragen oder auch für spezielle Sonderwünsche. Der Aufsprechservice macht es möglich, ein Lieblingsbuch, einen noch fehlenden Wunschtitel aufsprechen zu lassen. Dies wird teilweise über Buchpatenschaften finanziert. Manche machen sich ein solches Geschenk aber auch selbst, wählen einen Titel vielleicht aus ihrer Jugendzeit und übernehmen die anfallenden Kosten. Ab 450 Euro gehts los.
Hinhören
„Also ein Leben ohne Literatur kann ich mir überhaupt nicht vorstellen!" Ein Gespräch mit Johannes Willenberg, Redakteur der Mitglieder-Zeitschrift Hörmal beim BSV Westfalen über Hörbücher und spezialisierte Bibliotheken für blinde und sehbehinderte Leserinnen und darüber, welche Bücher er selbst in der Hörmal am liebsten vorstellt:
https://www.bsvw.org/dokumente/upload/b60d9_Johannes_Willenberg_Interview.mp3
Die komplette Pressemitteilung mit weiteren Informationen finden Sie hier.